Geschichten vom Fliegen V

Karina Odenthal hat ein zwölfmonatiges Zeitungsvolontariat absolviert und anschließend Literaturwissenschaften an der Universität Heidelberg studiert. Sie war lange Jahre als Schauspiel- und Chefdramaturgin am Landestheater Coburg, Stadttheater Würzburg und am Pfalztheater Kaiserslautern engagiert. Zwei Jahre war sie als Lektorin für die Theaterabteilung des S. Fischer Verlags, Frankfurt/Main tätig. Nach längeren Auslandsaufenthalten und Reisen arbeitet sie jetzt freiberuflich als Dramaturgin, Lektorin, Autorin und Dozentin für Kreatives Schreiben. Sie ist Mitglied des Verbandes Deutscher Schriftsteller, der Dramaturgischen Gesellschaft und der Krimiautorinnenvereinigung Sisters in Crime / Mörderische Schwestern. Karina Odenthal lebt im südlichen Odenwald und arbeitet zur Zeit an einem weiteren Theaterstück sowie an einem Kinder- und Jugendroman.

Geschichten vom Fliegen VDie 10 besten Kurzgeschichten des Germanwings Story Award 2014

Von und mit: Iris Christen, Elfi Ebner, Katharina Glück, Karina Odenthal, Kirsten Knauf, Thomas Häbe, Saskia Kissel, Jennifer Wellen, Maximilian Schwarz, Sonja Pöhlitz

"Am Flughafen rauchte er noch eine Zigarette, die letzte für mindestens zwölf Stunden, bevor er die Wartehalle betrat und sein Gepäck am Schalter aufgab. Er hatte immer noch das Gefühl, dass alle ihn anstarren würden. Aber langsam gewöhnte er sich daran. Er musste sich einfach nur das Ziel seiner Reise vor Augen halten. In zwei Tagen konnte er neu anfangen."
Saskia Kissel, "Loser"

"Ihre Worte kamen von irgendwo weit her. Die Maschine bockte nun wie ein Pferd beim Rodeo. Er spürte einen unbändigen Drang aufzustehen. Er musste raus hier. Statt aufzuspringen, zwang er seinen Blick hinüber zu ihren Augen. Der Blick daraus war ruhig und versuchte ihm Mut zu machen."
Iris Christen, "Flugangst"

"Sie beugte sich über uns, fasste ihn um die Taille, doch als sie ihn hochheben wollte, klammerte er sich an meiner Hand und meiner Krawatte fest, hustend, ohne zu schreien, doch so fest, dass die Stewardess ihn zurück in den Sitz setzen musste. Dann wieder sein Blick auf mir - durchdringend - immer noch festgeklammert an meiner Krawatte. Plötzlich ein Luftloch, wir erschraken, der Kleine verlor die Krawatte, schmiegte sich dann aber blitzschnell an meinen Arm. Keiner wusste weiter. Sein Körper war heiß und wirklich sehr dünn. Wir flogen nun über den Wolken, sie lagen unter uns wie ein grenzenloser, weißer Ozean, darüber wir, frei fliegend im Blau."
Elfi Ebner, "Wolkenkind"