Die Wurzeln lang ziehen

Die Wurzeln lang ziehen
Eine pontische Spurensuche nach der Kleinasiatischen Katastrophe
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Artikel-Nr:
9783949558115
Veröffentl:
2023
Einband:
Lesebändchen
Erscheinungsdatum:
01.03.2023
Seiten:
208
Autor:
Maria Topali
Gewicht:
381 g
Format:
218x126x20 mm
Sprache:
Deutsch
Beschreibung:

Maria Topali wurde in den 60er Jahren in Thessaloniki, Griechenland geboren. Das Haus ihrer Eltern, auf dessen Dach einige Bienenstöcke des Großvaters standen, lag an einer noch nicht asphaltierten Straße, jenseits der byzantinischen Stadtmauern im Westen der Stadt. Pferdekarren zogen vorbei, der Kontrast zum modernen Stadtzentrum war krass. Die multiethnische Vergangenheit der Stadt blieb bis Anfang des 21. Jahrhunderts tief begraben; doch jüdische und türkische Begriffe hatten als Ortsnamen und in der Esskultur überlebt. Für Marias Kinderohren hatten sie einen magischen, aber auch beunruhigenden Klang. Ähnlich erging es ihr mit dem pontischen Dialekt, der mittelalterlichen Sprache der Schwarzmeer-Griechen. Das war die Sprache ihrer Vormittage, die sie mit Großvater und Tagesmutter verbrachte, da die Eltern berufstätig waren. Kamen sie von der Arbeit zurück nach Hause, wechselte die Sprache in das normale Alltagsgriechisch. Schon als Kind schrieb Maria Gedichte. Es war ihr Versuch, aus dem einen Ich in das andere zu übersetzen, ohne dabei die Widersprüche einzuebnen, sie unter den Tisch fallen zu lassen. Sie besuchte die Deutsche Schule in Thessaloniki, deren Gründung noch in die Zeit des osmanischen Reichs zurückreichte. Die Familie zog in den östlichen Teil der Stadt. Dialekt und Bienen blieben zurück - vielmehr sickerten ein in ihr Schreiben.Mirko Heinemann wurde als Sohn einer griechischen Mutter und eines deutschen Vaters 1966 in Thessaloniki geboren. Aufgewachsen ist er in Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen. Nach Abitur und Zivildienst zog es ihn nach West-Berlin, wo er an der FU Publizistik mit Schwerpunkt Journalismus studierte. Er schrieb in den Wendezeiten für die Tageszeitung "taz" und arbeitete für Fernsehen und Hörfunk. Seit 2003 ist er als freier Journalist für Magazine, Tageszeitungen und den öffentlich-rechtlichen Hörfunk tätig. 2019 erschien sein erzählerisches Sachbuch "Die letzten Byzantiner" beim Ch.-Links-Verlag über die Vertreibung der Griechen vom Schwarzen Meer. Es basiert auf einer Reise durch die Türkei auf den Spuren seiner Familiengeschichte und beleuchtet die historischen Zusammenhänge und deren Auswirkungen bis in die Neuzeit. mirkoheinemann.deVor etwa drei Jahrzehnten stand ich in einem griechischen Fahrstuhl und entzifferte auf einem Hinweisschild »4 ATOMA«. Aha, hier durften vier Personen mitfahren. Das Atom, das ich im Chemieunterricht als die kleinste teilbare Einheit kennengelernt hatte, war hierzulande also auch die »Person«. Ich war fasziniert. Ebenso faszinierte mich, dass »metaforika« nicht nur »metaphorisch« meint, also im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich alles bezeichnet, was transportiert wird, also auch eine Spedition, was nun einmal ein Transportunternehmen ist. Seitdem bin ich dieser Sprache verfallen. Sie war anfangs mein wichtigster Grund, in diesem Land zu bleiben. Schnell entdeckte ich, dass Übersetzen eine wunderbare Möglichkeit bietet, tief in einen Text einzudringen. Nichts zu überspringen, sich ihm zu stellen. Schwingungen zu erfassen. Sich am Ausdruck zu erfreuen. Welten aufzutun. Zu begreifen. Ich begann zu übersetzen, zunächst einmal für mich, um wirklich gut zu verstehen. Das ist wiederum wohl die wichtigste Voraussetzung dafür, keine Wörter zu übersetzen, sondern etwas in einer anderen Sprache neu zu sagen. Und das ist oftmals Quasi dasselbe mit anderen Worten, um den deutschen Titel von Umberto Ecos Buch über das Übersetzen zu zitieren.Dem gehe ich nun schon seit vielen Jahren nach: Manchmal sind es Romane, Kinderbücher oder Gedichte, manchmal sind es Ausstellungstexte oder Interviews, manchmal Drehbücher oder Libretti, von Geburtsurkunden und Scheidungsurteilen ganz zu schweigen.Außerdem widme ich mich als Übersetzerin und Journalistin der deutschen Okkupation Griechenlands im Zweiten Weltkrieg und dabei vor allem der Oral-History. Offizielle Auszeichnungen sind mir nicht wichtig, aber der Orden, der mir vom Verein der Division Acqui verliehen wurde, bedeutet mir viel. Doris WilleStaatlich geprüfte, beeidigte und öffentlich bestellte Übersetzerin für die neugriechische SpracheMagister in Germanistik und Kunstgeschichte Aufbaustudium in Journalistik und Öffentlichem Rechtdoriswille.deIch bin 1944 in Regensburg geboren und habe dort einen Teil meiner Schulzeit verbracht. Zu meinen Erinnerungen gehört, dass es mir beim Transfer aus dem Lateinischen oder Griechischen immer Freude gemacht hat, im Deutschen gute Lösungen zu finden.Mit dem Übersetzen griechischer Literatur habe ich nach einer achtjährigen Lektorentätigkeit an der Deutschen Abteilung der Aristoteles Universität Thessaloniki begonnen, als ich, nach Deutschland zurückgekehrt, das Leben in Griechenland sehr vermisste. Erste Schritte in dieser Richtung waren in Übersetzungsseminaren entstanden bei dem Versuch, gemeinsam mit den Studenten griechische Lied- und Songtexte ins Deutsche zu übertragen - es war in der Zeit unmittelbar nach der Junta, mit der Rückkehr der Linken entstanden viele aktuelle politische Lieder. Die mit mir befreundete Verlegerin des Romiosini Verlags in Köln bat mich damals um die Übersetzung einer Erzählung für einen Band mit Nachkriegsprosa aus Thessaloniki, und dies war der Auslöser für umfangreichere Übersetzungen zeitgenössischer griechischer Autorinnen und Autoren für diesen Verlag, hauptsächlich Prosa, aber auch Lyrik - u.a. Romane von Alki Zei und Mimika Cranaki und die besonders anspruchsvolle Übertragung eines Buchs von Sotiris Dimitriou aus einem nordepirotischen Dialekt. Parallel zum Übersetzen habe ich jahrelang künstlerisch-handwerklich in einer großen Rahmenwerkstatt in Köln gearbeitet und dies als idealen Gegenpart für die intensive Arbeit an der Sprache am Schreibtisch empfunden: auch hier passgenaues Schleifen, Färben, Polieren, aber an haptischen Werkstücken. 2001 gab es mit Griechenland als Gastland der Buchmesse Frankfurt einen enormen Schub für die neugriechische Literatur in Deutschland mit Aufträgen für große deutsche Verlage; später die Herausgabe eines literarischen Athen-Führers gemeinsam mit Konstantinos Kosmas für den Wagenbach Verlag, die von der Vorstellung geleitet war, ein Bild der heutigen Stadt jenseits aller historischen Klischees entstehen zu lassen. Mit bedingt durch einen Umzug nach Berlin stand nun das Übersetzen im Mittelpunkt meines Lebens, vielfach auch für Veranstaltungen in der Griechischen Kulturstiftung in Berlin. Daneben habe ich Moderationen bei Lesungen übernommen und als Vermittlerin bei Übersetzerworkshops in München, Berlin, Athen und Paros gearbeitet.Für meine Arbeit wurde ich zweimal ausgezeichnet: 2001 bekam ich den Deutsch-Griechischen Übersetzerpreis für Pavlos Matessis' "Tochter der Hündin" und 2014 den Griechischen Staatspreis für Übersetzung für Christos Ikonomous Erzählband "Warte nur, es passiert schon was".
In ihrem biografischen Essay/Memoir, ergänzt um rund dreißig Gedichte, erzählt Topali von ihrer aus der Pontos-Region am südlichen Schwarzen Meer stammenden Familie, in der sich die "Kleinasiatische Katastrophe" vielschichtig spiegelt: so die Bezeichnung der Griechen für das Ende und die Konsequenzen des verlorenen griechisch-türkischen Kriegs (1919-1922). Höhepunkt waren der Brand und das Massaker der überwiegend von Griechen bewohnten Stadt Smyrna; dann 1923 in Lausanne die griechisch-türkische Vereinbarung über den Bevölkerungsaustausch: die Vertreibung von 1,2 Millionen Griechen aus ihrer Heimat (heute Türkei) und von 400.000 Muslimen oder "Türken" aus dem heutigen Griechenland. Einziges Kriterium: die Religionszugehörigkeit. Das Trauma hallt in der Region bis heute nach. In ihrem Zeugnis der Makro- wie Mikrogeschichte stellt Topali, gegen Scham und Verschweigen ankämpfend, beide, die türkische wie die griechische Täterseite in den Vordergrund. Betont aber, dass sie auch im Positiven ein Produkt dieses Dramas ist. Letztlich will ihr Text ein Signal sein für ein Miteinander, wie es über Jahrtausende möglich war.

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