Vom Forschungsstandort zum Gelegenheitsziel

Vom Forschungsstandort zum Gelegenheitsziel
Auf den Spuren der bewegten Vergangenheit Oranienburgs
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Artikel-Nr:
9783943112184
Veröffentl:
2012
Seiten:
164
Autor:
Ralf Blauermel
Gewicht:
515 g
Format:
240x170x0 mm
Sprache:
Deutsch
Beschreibung:

Ralf Blauermel wurde 1965 in West-Berlin geboren, nach einer Lehre als Industrieelektroniker folgte die Ausbildung zum Elektromeister. Neben der beruflichen Tätigkeit bei einem Berliner Pharmakonzern entstand privat das Interesse an verborgenen und verlassenen Bauwerken. Kurz nach der Gründung des "Berliner Unterwelten e.V." erfolgte der Eintritt in die noch sehr übersichtliche Gruppe Gleichgesinnter. Mit der Wiedervereinigung standen plötzlich im ehemaligen Ostteil Berlins und in dem umgebenen Brandenburg diverse verlassene Anlagen der DDR und der GSSD offen, auch im alten West-Berlin hinterließen die Alliierten nach ihrem Abzug etliche nun verlassene Bauwerke. Das Bedürfnis, alte Bauten und deren Geschichte zu erkunden, ist bis heute ungebrochen. Mit dem Umzug im Jahre 2008 von Berlin in den Kreis Oberhavel bestand das Interesse, die neue Umgebung besser kennenzulernen.
Noch ein Buch über Oranienburg?
Seit vielen Jahren interessiere ich mich in meiner Freizeit für unterirdische Anlagen und verlassene Objekte. Vor ungefähr zehn Jahren habe ich mich dem "Berliner Unterwelten e.V." angeschlossen. Dieser Verein betätigt sich unter anderem in der Erforschung und Dokumentation unterirdischer Bauwerke. Im Rahmen meiner Vereinsmitgliedschaft beschäftigte ich mich zwangsläufig mit Bauwerken aller Art und deren unmittelbarer Vergangenheit. Viele dieser Bauten in Berlin haben ihren Ursprung in der Zeit des Nationalsozialismus. Die monumentale und gewaltige Architektur benötigte riesige Mengen an Materialien. In der damaligen Hauptstadt des nationalsozialistischen Deutschlands befinden sich jede Menge solcher Hinterlassenschaften, jedes Bauwerk mit seiner eigenen Geschichte. Viele dieser Bauten in Berlin haben ihren Ursprung in der Zeit des Nationalsozialismus. Die gigantische Menge an Ziegel und Steinen für die begonnene "Umgestaltung zur Reichshauptstadt Germania"1 und spätere Luftschutzbauten sollten aus dem Klinkerwerk bei Oranienburg kommen.
Die Thematik "Luftkrieg, Zwangsarbeiter und Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg" führte mich bereits vor einigen Jahren nach Oranienburg in die Gedenkstätte Sachsenhausen. An einem regnerischen Tag besuchten meine Familie und ich die Anlage. Dieser Besuch reichte jedoch nicht für einen "Blick über den Tellerrand" auf das umgebende Gelände. Dieser sollte dann erst Jahre später erfolgen. Ich war bei meinem zweiten Besuch überrascht, wie wenig von der ursprünglichen Bebauung erhalten geblieben war.
Erst mit meinem Umzug in die Nähe von Oranienburg begann ich mich wieder mit der Umgebung zu beschäftigen. Häufig führten Familienausflüge an den angrenzenden Bereichen der Gedenkstätte vorbei. Durch meine "Vorbelastung" durch die "Berliner Unterwelten" wunderte ich mich an dieser Stelle über die auffallend gleichmäßigen Wohnhausbestände im Umfeld des ehemaligen Lagers.
Beim Sichten der angebotenen Literatur fand ich sehr detaillierte und gute Bücher, jeweils einzelne Themen betreffend. Mir fehlte aber eine Gegenüberstellung dessen, was sich früher an einem bestimmten Punkt befunden hat, wie es zu DDR-Zeiten und heute genutzt wird. Den Wenigsten ist bewusst, wozu alte Gleisanlagen benötigt wurden, woher mitten im Wald Betonfundamente stammen, welche Ausmaße das ehemalige Klinkerwerk besaß oder welchem Zweck die alten Laderampen im Industriepark dienten. Diese Spuren rings um die Gedenkstätte des ehemaligen Lagerbereiches weckten mein Interesse. Ich begann mir einen Überblick zu verschaffen, welche Geschichte hinter diesen Überresten steckt. An mehreren Stellen gibt es zwar einige, wenn auch ungepflegte Informationstafeln, andere Orte werden dagegen überhaupt nicht erwähnt. Dieses Buch stellt eine Zusammenfassung von bereits veröffentlichten historischen Details dar und soll einen Überblick über die noch auffindbaren Spuren schaffen.
Irgendwann entstand dann die Idee, die gesammelten Informationen als Zusammenfassung aufzuschreiben. Als regulärer Arbeitnehmer ist der Zeitaufwand für die Recherche in Archiven sehr groß. Dazu kommen viele Besuche der Gedenkstätte in Oranienburg, die Erkundung ihrer Umgebung und das Anfragen nach Besichtigungsmöglichkeiten. Gespräche mit Zeitzeugen lassen sich vielleicht noch ins Wochenende legen, Archivbesuche dagegen leider nicht. Bereichernd fand ich die Begegnung mit vielen Menschen, von Zeitzeugen angefangen bis hin zu Verwaltungsangestellten. Je intensiver ich mich mit der Materie beschäftigte, desto mehr Fragen ergaben sich. Auch entdeckte ich Abweichungen oder Widersprüche in verschiedenen Quellen.
Die brandenburgischen Kurfürsten während der Stadtgründung, die beginnende und stetig zunehmende Industrialisierung, der Zweite Weltkrieg und die Zeit des Kalten Krieges haben ihre Spuren bis heute in Oranienburg hinterlassen. Der SS-Standort, das Konzentrationslager, die Flugzeugentwicklung und die Atomforschung, der Bombenkrieg und der Militärstützpunkt haben sich in der jüngeren Stadtgeschichte verewigt.
Schwierig empfand ich die Gratwanderung zwischen der sachlichen Beschreibung von Bauobjekten und deren Resten aus der Zeit des Nationalsozialismus, ohne in die Rolle des "Betonfanatikers" gedrängt zu werden. Kritische Anmerkungen aus dem Lektorenkreis schafften hier eine Reflexion.
Bei all diesen Bauten darf man nie vergessen, auf wessen "Rücken" diese in sehr kurzer Zeit errichteten großen Bauwerke und Areale entstanden sind. Fast immer kamen Zwangsarbeiter und Häftlinge unter schwersten Arbeitsbedingungen zum Einsatz, und dabei sehr oft ums Leben. Unvorstellbar sind für mich die Angaben von Opferzahlen. Die Zahl anonymisiert die Opfer und schafft Distanz. Wer vermag sich auch schon die "Menge" von 300 Toten eines Luftangriffes vorzustellen? Diese entsprechen etwa der Beschäftigungsanzahl eines mittelständischen Unternehmens. Bei 35.000 Toten aus den KZ Sachsenhausen dem eines halbvollen Berliner Olympiastadions.
Wer auch immer die Baugigantomanie des Dritten Reiches betrachtet, sollte sich stets dieser Hintergründe bewusst sein. Nicht alle Spuren der Vergangenheit können auf ewig bewahrt werden. Entscheidungen über eine Neubebauung oder Umnutzung werden immer unter den gegenwärtigen Aspekten gefällt. Damit besteht auch immer das Risiko von Fehlentscheidungen für die Zukunft. Viele dieser Entscheidungen beinhalten klassische Zielkonflikte: zwischen der städtebaulichen Aussicht auf ein neu gestaltetes Areal mit neuen Arbeitsplätzen oder aber einem eingefallenen Gebäude, welches aus Kostengründen in absehbarer Zeit nicht saniert werden kann und weiter verfällt. Nur bei wenigen Projekten gelingt der Spagat zwischen dem Bewahren des Altbestandes und einer neuen Nutzung. Für jedes dieser gelungenen Projekte kann man dankbar sein, weil dadurch eine Spur aus der Vergangenheit bestehen bleibt. Ich möchte versuchen, diese übrig gebliebenen, sonst unbeachteten Spuren aufzuzeigen. Der Leser soll die Möglichkeit erhalten, wenngleich häufig leider nur eingeschränkt, diese Orte selbst besuchen zu können. Nichts ist so schnelllebig wie das Internet. Adressen und Links wurden auf ihre Gültigkeit überprüft. Den Quellenangaben ist angefügt, an welcher Stelle und an welchem Datum die Informationen verfügbar waren. Bei geänderten Links wird die Verwendung der gängigen Suchmaschinen empfohlen.
Ralf Blauermels Buch ist eine Bestandsaufnahme der historischen Hinterlassenschaften in der im Zweiten Weltkrieg schwer bombardierten Stadt Oranienburg.Rund um das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen und an den ehemaligen Fabrikstandorten sind viele Spuren der Vergangenheit erhalten geblieben, dies aber weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkt. Firmen wie Auer oder die Heinkelwerke , das berüchtigte Klinkerwerk sowie Abteilungen des NS-Kernwaffenprogramms hatten hier ihren Sitz. Der nördliche Vorort Berlins war somit ein bedeutender Industrie-, Rüstungs- und Forschungsstandort, dessen Produkte und wissenschaftlichen Ergebnisse nicht nur in der Hauptstadt Verwendung fanden.

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