Politische Ketzereien

Politische Ketzereien
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Artikel-Nr:
9783940781000
Veröffentl:
2008
Seiten:
228
Autor:
Jörn Sack
Gewicht:
150 g
Format:
162x99x13 mm
Sprache:
Deutsch
Beschreibung:

Man sollte meinen, dass es in einer freien Gesellschaft kein Ketzertum geben kann, weil Gedanken- und Meinungsfreiheit herrscht. Fest umschriebene Straftatbestände wie Beleidigung, Verleumdung, Störung des inneren Friedens fordern lediglich ein Mindestmaß an gegenseitiger Schonung in der für eine lebendige Demokratie konstitutiven geistigen Auseinandersetzung ein. Gefehlt! Zwar sind alle religiösen und sexuellen Tabus gefallen, und jeder Kleingeist darf, weil ihm nichts Gescheiteres einfällt, noch eimal kräftig auf die längst gestürzten Heiligenbildern und alle Regeln des guten Geschmacks geistig oder physisch scheißen oder andere in ihrer Berufsausübung scheißen lassen. Er mag sich weiter als kühner Bilderstürmer vorkommen, es nützte angesichts der eingetretenen Härtung unseres moralischen Epiderms wenig, um Aufmerksamkeit zu erwecken, wären nicht die Islamisten als letzte rabiate Gläubige übrig geblieben, die man herausfordern kann.Im politischen Denken dagegen ist Ketzertum selbst in der freiheitlichsten Staatsordnung weiterhin möglich, wagt jemand, ohne gegen die Gesetze zu verstoßen, an den als allgemein gültig vereinbarten Ansichten und Wertungen zu rütteln. Wenn wir es auch nicht glauben mögen, weil es uns missfällt: Es hat noch keine Gesellschaft gegeben, die ohne Tabus ausgekommen wäre. Auch unsere permissive nicht. In Deutschland ist mit dem Straftatbestand der sog. Ausschwitz-Lüge ein solches Tabu sogar rechtlich verfestigt worden. Frankreich versucht sich an Gleichem hinsichtlich des Völkermords an den Armeniern. Der Fall ist noch krasser, denn es gibt keine lebenden Opfer mehr, deren verständliche Gefühle es zu schützen gäbe. Sie sind der Grund, weshalb in puncto Holocaust nicht der vom Bundesverfassungsgericht für die Meinungsfreiheit im Allgemeinen äußerst weit gezogene Schutzbereich gilt, der auch falsche, irrige, ja absurde Meinungen einschließt. Neben diesem rechtlich festgeschriebenen Tabu - im Grunde ein Armutszeugnis für eine demokratische verwurzelte Gesellschaft, weil man meint, man könne Verbohrtheit strafrechtlich verbieten und historische Wahrheiten gesetzlich festschreiben - gibt es mehr 'bloß' praktizierte politische Tabus, als man geneigt ist anzunehmen. Die folgenden Darlegungen rühren an einigen von ihnen. Die Sanktionen gegen Ketzer sind im Vergleich zum Mitttelalter ausgesprochen milde: Totschweigen, Boykott, Kesseltreiben. Gerade deswegen viel wirksamer als Folter und Scheiterhaufen je waren. Die brachten Rebellen, Märtyrer, Empörung hervor; Vorbilder und Hoffnungsträger einer heraufziehenden neuen Zeit. Die physische Vernichtung des Gegners war eine ebenso brutale wie dumme Art, zutiefst als heilig empfundene Wahrheiten zu verteidigen. Die bestialische Ermordung Giordano Brunos hat dem Papsttum mehr geschadet als Luther und Calvin zusammen. In rückständigen Teilen der Welt wird die physische Vernichtung Andersdenkender noch praktiziert. Regime, die so primitiv verfahren, haben schon allein deswegen keine Zukunft. Im zivilisierten Westen weiß man es besser. Der Tabubrecher hat keine Chance zu leidender Größe aufzusteigen. Aber schon harmlose Ausrutscher, wie sie etwa dem Bundestagsabgeordneten Hohmann oder dem früheren Bundestagspräsidenten Jenninger unterlaufen sind, reichen aus, um Menschen auf humane Weise zur Strecke zu bringen. Sie werden nicht für vogelfrei, sondern für untragbar erklärt. Es genügt; denn anders als in Fällen politischen Versagens, bis hin zur Kriminalität wie Korruption, Steuerhinterziehung, fahrlässige Tötung, Subventionsbetrug, Durchstechereien und Vetternwirtschaft, ist eine Rehabilitierung von Ketzern ausgeschlosssen.Bewährungszeiten, Überwinterung, Neuanfänge gibt es nicht. Tabubruch, selbst der aus reiner Ungeschicklichkeit begangene, ist das einzige politische Verbrechen, das dauerhaft disqualifiziert. Einmal untragbar, immer untragbar. Martin Walser ist einem solchen geistigem Bann im Anschluss an seine Rede bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutsche

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